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Freundeskreis Israel in Regensburg und Oberbayern e.V.
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Ausstellungseröffnung November 2008

Eröffnung der Ausstellung mit Fotos und Texten zum ehemaligen Jüdischen Friedhof in
Sulzbürg.

Herr Rosengold begrüßte zur Eröffnung der Ausstellung am Sonntag, 30. November 2008, sehr
herzlich die sehr zahlreichen Zuhörer. Dann gab der das Wort an Frau Professor Dr. Heide
Inhetveen für deren einführende Rede:


Sehr geehrter Herr Rosengold, sehr geehrte Jüdische Gemeinde, deren Gastfreundschaft wir
heute und morgen genießen dürfen, liebe Freundinnen und Freunde, denen das Thema dieser
Ausstellung am Herzen liegt!

Mit großer Freude, Dankbarkeit und Ergriffenheit stehe ich heute hier im Gemeindesaal der
Regensburg Jüdischen Gemeinde, denn mit dieser Ausstellung hat für mich ein
Lebensabschnitt begonnen, den ich als Vision seit langem in mir trage: eine tiefere
Beschäftigung mit der jüdischen Geschichte Sulzbürgs als es mir bisher in meinem Berufsleben
möglich war.
Und eine Beschäftigung mit Sulzbürg führt in vieler Hinsicht unweigerlich nach Regensburg. So
ist es in der Tat Sulzbürg, das im Ortsverzeichnis des 2. Bandes "Regensburger Juden" von
Siegfried Wittmer nach München und Wien die meisten Seitennennungen besitzt, von
Regensburg selbst und den Orten mit den nationalsozialistischen Vernichtungslagern einmal
abgesehen.
Beide Orte, das große und uralte Regensburg und das kleine auf einem Zeugenberge im
Landkreis Neumarkt gelegene Dorf Sulzbürg, sind zwar räumlich fern, aber durch die jüdische
Geschichte nah und in vielfacher Hinsicht verbunden. Und deshalb war es wie ein Wink des
Schicksals, als ich eines Tages anlässlich einer Führung auf dem Jüdischen Friedhof Edgar
Pielmeier aus Regensburg traf, der hierher auf den Sulzbürg kam und mit großer Hingabe
Grabsteine fotografierte, in den frühen Morgenstunden oder im Abendlicht. Herr Rosengold
hatte ihm die Anregung "Jüdische Friedhöfe" zu fotografieren gegeben, er war nach Sulzbürg
gekommen und "hängen geblieben", - wie auch andere Menschen, die die Kraft und Schönheit
dieses Ortes gespürt haben. Vermutlich ist darauf auch zurückzuführen, dass seit einigen
Jahren aufwendige Maßnahmen zur Konservierung der Grabmale vorbereitet und ab nächstem
Jahr umgesetzt werden.
Ich möchte gerne - über die Informationen hinaus, die Sie den Tafeln entnehmen können, -
kurz einiges zu den Verbindungen zwischen Regensburg und Sulzbürg andeuten:
Die gemeinsame Geschichte hebt - nicht ganz rühmlich für einen Sulzbürger Händler endend -
im 17. Jahrhundert an. Regensburg war 1663 zur Stadt des Immerwährenden Reichstages
geworden. Bis 1669 waren bereits 61 Juden mit der Vorstellung eines immerwährenden
Aufenthaltes in diese Stadt gekommen, unter ihnen drei Sulzbürger Juden. Von den Familien,
die hier bleiben durften, hätte es der Jude Marx von Sulzbürg fast geschafft, wenn er nicht
wegen "allerhandt Unrichtigkeit" in Arrest genommen und durch einen der Öttinger Juden
ersetzt worden wäre (vgl. RJII, S.47).
Die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Orten sind aber auch in der Folgezeit sicherlich
nicht abgerissen: Siegfried Wittmer erwähnt z.B. auch Sulzbürger Juden als Heereslieferanten,
die im Österreichischen Erbfolgekrieg bei der Besetzung Bayerns durch österreichische Truppen
die benötigten Waren nach Regensburg lieferten. Auch die Geschichte des Juden Joseph
Abraham aus Sulzbürg verweist auf Wanderbewegungen zwischen Regensburg und Sulzbürg.
Er war als Pferdehändler und Geleitjude in der Stadt des Immerwährenden Reichstags tätig,
mußte dann aber 1750 seinen Posten einem betuchten Münchner Oberfaktorssohn räumen.
Sowohl er wie seine Frau, die im Dienst eines einflussreichen Regensburger Juden stand,
hätten die Stadt verlassen müssen, wurden aber noch längere Zeit von einflussreichen
Personen vor der Ausweisung bewahrt. (RJII, 97) Erst in einer ökonomischen Statistik von
Sulzbürg aus dem Jahr 1755 taucht Joseph Abraham wieder auf, diesmal zwar mit eigenem
Haus, aber als "arm" eingestuft.
Verbindungen zwischen Regensburg und Sulzbürg bestanden schon früh in kultischer Hinsicht:
Anlässlich einer Beschwerde über die lauten und feuergefährlichen Lustbarkeiten der Juden
anlässlich des Sukkoth-Feierns im Jahr 1708 wurde von Nachbarn kritisch vermerkt, dass sich
die Juden sogar "aus Sulzbürg Hornbläser und Vorsänger" hätten kommen lassen. Sulzbürg hat
offenbar jahrhundertelang sowohl auf christlicher wie auf jüdischer Seite eine rege Musikpraxis
gepflegt. Denn von den Gesängen in der Synagoge und im Landhaus der ESRA-Gruppe
Nürnberg berichten noch heute alte Menschen in Sulzbürg.
In einem 1756 für die Sulzbürger jüdische Gemeinde erlassenen Edikt wurde unter anderen
festgelegt, dass die jüdischen Männer nur "ausländische Mädchen" heiraten durften. Nun finden
wir auf dem jüdischen Friedhof in Sulzbürg seit dem Edikt von 1813, in dem für die jüdische
Bevölkerung Familiennamen verpflichtend wurden, auf etwa 1/5 (21) der 110 Grabsteine den
Familiennamen Regensburger. Einerseits vermute ich, dass dies mit dem Fehlen eines
Friedhofs in Regensburg zusammenhängt: bis 1822 mußten die Regensburger Juden und
Jüdinnen für teures Geld auf Friedhöfen im Fränkischen, Schwäbischen oder Oberpfälzischen
beerdigt werden, unter anderem eben auch in Sulzbürg. Zum anderen vermute ich aber auch
intensive Heiratsbeziehungen mit Regensburg. Warum sollte eine Familie nicht den
Familiennamen Regensburger annehmen, wenn die Mutter oder Frau aus Regensburg stammte?
Ich vermute, dass durch die Dokumentation sämtlicher Grabinschriften des Sulzbürger
Friedhofs durch Herrn Dr. Angerstorfer die Familiennetze zwischen Sulzbürg und Regensburg
noch deutlichere Konturen annehmen.
Nun werden im 19. Jahrhundert die Beziehungen auf kultischer Ebene noch dichter: Als 1860
der Regensburger Rabbiner Dr. Seligmann Schlenker starb und Sparsamkeit das Gebot der
Stunde war, wählte man den Sulzbürger Distriktsrabbiner Dr. Mayer Löwenmayer zum
Rabbinatsstellvertreter. Er versah die Rabbinatsdienste in Regensburg bis 1881, also
einundzwanzig Jahre lang, und zusätzlich bis zu seinem Tod 1895 auch noch in Neumarkt und
Thalmässing. Bei Streitigkeiten in Regensburg wurden wiederholt auch nach 1881 noch
Gutachten bei ihm eingeholt. Eine große schöne Sandsteinstele auf dem Sulzbürger Friedhof,
die allerdings auch besonderes verwittert ist, trägt seinen Namen.
Sein unmittelbarer Nachfolger als Distriktrabbiner in Sulzbürg wurde der 28jährige Historiker
Dr. Magnus Weinberg. Durch ihn wurden die jüdischen Gemeinden von Sulzbürg, Neumarkt und
Regensburg auch formal aufs engste verknüpft: Dr. Weinberg verlegte nämlich den
Rabbinatssitz 1923 nach Neumarkt. 1931 nahm er nach dem Ausscheiden von Dr. Harry Levi in
Regensburg dessen Stelle des Distrikt- oder wie es jetzt hieß - Bezirksrabbiners an. Und er
vereinigte die beiden oberpfälzischen Bezirke, den westlichen von Sulzbürg-Neumarkt und den
östlichen von Regensburg. Sein weiteres Schicksal in der NS-Zeit bis zu seinem und seiner Frau
Sterben in Theresienstadt ist auf einer der Tafeln kurz dargestellt.
Viele jüdische Familien Sulzbürgs waren schon vor Beginn der NS-Zeit vor den immer
schwieriger werdenden Existenzbedingungen auf dem Land in die nächsten Städte, in die USA
oder nach Palästina geflüchtet. Zu ihnen gehörte auch die Familie Rosenwald mit ihrem
Textilgroßhandel, die nach Regensburg migrierte. Nach 1938 flüchteten Sulzbürger Juden zu
Verwandten in Regensburg, wie Simon Freising - vermutlich zu seinem Bruder Carl, der einen
Laden für Schreinereibedarf in der Bachgasse hatte. Glaubte man sich in den größeren Städten
sicherer? Simon Freising starb in einem der beiden Altersheime, er müsste in Regensburg
begraben sein. Rosenwalds wurden nach Piaski bzw. "nach unbekannt" vermutlich Auschwitz
deportiert.
Emanuel Regensburger, der Viehhändler aus Sulzbürg, war zunächst im Regensburger
Altersheim in der Schäffnerstraße 2 eingepfercht und kam mit 89 Jahren - er war der Älteste
der im September Deportierten - nach Theresienstadt, wo er eineinhalb Wochen nach seiner
Ankunft starb.
Sein Haus in Sulzbürg wird von älteren Menschen noch heute als Regensburger Haus
bezeichnet, wie es auch das Freising Haus oder das Weil Haus und andere Häuser gibt, deren
letzte Insassen den Weg in die Vernichtungslager (auch) über Regensburg antraten. In diesen
Hausnamen und in den Geschichten, die noch heute erzählt werden, bleibt die Erinnerung an
die jüdische Gemeinde in Sulzbürg wach. Doch wie lange noch? Die Hausnamen werden
vergessen, die Synagoge ist profanisiert und in grotesker Weise umgenutzt. Doch es bleiben
die Geschichten, die die Grabdenkmäler auf dem Sulzbürger Friedhof erzählen, eines Friedhofs,
der Denk- und Mahnmal ist, der Zeugnis ablegt von der jüdischen Kultur, "ein Ort der Lehre
menschlichen Miteinanders und eine Stätte zum Innehalten und Nachdenken über das Werden
und Vergehen des Lebens." (Ultsch 2003, S. 2)
Es wäre eine Freude, wenn Sie dies auch in den Foto-Dokumenten des Friedhofes aufspüren
und vielleicht auch einmal die Originale in Sulzbürg aufsuchen werden. Wir laden Sie nun
herzlich zu einem Rundgang ein und danken an dieser Stelle noch mal der Jüdischen Gemeinde
Regensburg für ihre großzügige Gastfreundschaft.

JR= Siegfried Wittmer (2002) Regensburger Juden (Regensburg: Universitätsverlag
Regensburg)
Ultsch 2003= unveröff. Ms. von Albert Ultsch, Restaurator und Bildhauer in Bamberg. Er ist mit
der Konservierungsmaßnahme auf dem Sulzbürger Friedhof betraut.

Laut Mrachacz 1991, S. 59-93: Amalie 1876, Regina 1934, Hannchen 1891, Josef S. 1913,
Therese, Fanni, Bertha, Bernhard, Therese 1889, Karoline 1887, David, Theres, Amalie 1883,
Josef 1885, Therese, Jakob 1871, Nathan, Abraham 1901, Fanni 1904, Moses 19.., Emma 1911
Regina Wagner am Nov. 27, 2008, midnight in Ausstellungen

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